Sonntag, 12. September 2021

Gruselkabinett

Echt jetzt?
So oder ähnlich kommt wohl manchem Leser mein Puppenkontor vor.


Denn viele finden Puppen, besonders alte Puppen, einfach gruselig. Und sie lehnen sie schlichtweg ab. Sie kommen in die Rubrik * kann weg *  und so jemand wird sie niemals schön finden. Immer wieder mal werde ich damit konfrontiert, meist im Netz. Und komischerweise von Sammlern, die auch besonders alte, gebrauchte Dinge lieben und dekorieren. Aber alte Puppen gehören nicht dazu, weil ja ach so gruselig.
Die will man dann nirgendwo "rumsitzen" haben. Mit einer Ausnahme: den Sofapuppen.

Jedenfalls muss ich dann immer schmunzeln, denn genau diese Leute hängen sich auch alte dunkle halb zerfledderte Schinken von Gemälden einer Großmutter aus dem Biedermeier ins Wohnzimmer. (Mache ich auch!) Porträts von nicht immer hübschen Menschen. 
Diese Menschen auf den Bildern haben mal gelebt. Aber was war das damals wohl für ein Mensch der da jetzt von oben in meine private Stube äugt. Waren das immer gute Menschen in ihrem Leben? Man wird es nicht erfahren.....Und ich stelle fest. Auch das hat doch irgendwie Gruselpotenzial.


Das ist Tante Adele aus Österreich. Sie hat auf alles ein Auge hier im Puppenkontor.


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Puppen waren nicht nur Spielzeug. Sie dienten/dienen auch kultischen Zwecken, haben magische oder eine religiöse Bedeutung. Die Puppe als menschenähnliches Wesen wurde immer schon missbraucht, um zu erschrecken. 
Einfache Puppen wurden hergestellt und benutzt um Menschen mit Flüchen zu belegen. Sie wurden abergläubig beäugt und absichtlich häßlich gemacht, um zu ängstigen.

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Wenn ich so zurückdenke, dann muss ich sagen, dass Puppen keine grosse Rolle in meiner Kindheit und Jugend einnahmen. Klar hatte ich auch ein paar aber als die dann weg waren (wohin eigentlich?) war es auch nicht schlimm.
Mein Interesse gehörte schon immer den alten Dingen mit Geschichte. Ich war immer, auch unbewusst, auf der Suche danach.
So konnte ich mir stundenlang antike Fotos ansehen, die mein Vater in einer alten Zigarrenkiste aufbewahrte. Ich mag alte verlassene Häuser mit ihren Geheimnissen, Bücher und Zeitschriften, Gemälde, Kleider, Schmuck, die Mode von damals. 
Biedermeier, Historismus, Jugendstil und auch etwas Art deco.


 

Fragt man jemanden danach, warum er Puppen gruselig findet, so heißt es u. a.: 

.......ja, die haben so einen starren Blick, die glotzen immer. Allein das wäre schon extrem gruselig. Auch der Schelmenblick, den wir Sammler so lieben, ist für viele Nichtsammler greepy. Etwas bewegliches in einem doch starren Gesicht. Nun ja. Und auch die Gliederkörper oder die Stimmbox im Rücken mit einer noch quäkenden Mamastimme - alles so furchtbar!?


Hinzu kommt, dass viele alte Puppen ohne Pflege zerzaust sind oder auch keine Haare mehr haben. Sie  kommen vielleicht aus einer Haushaltsauflösung oder vom Flohmarkt. Die Puppen sind schmutzig, riechen alt und schielen. Es fehlen Finger oder auch die Beine. Und wenn man solch ein Geschöpf sieht, kann man es schnell unheimlich finden. 

Und es geht noch schrecklicher. Denn auch kleines Krabbelgetier kann sich schon mal in so einen Kopf verirren. Und krabbelt dann vielleicht aus der Mundöffnung wieder raus........Ach, um Gottes Willen........!!!   jetzt ist aber Schluß damit!

vorher

Ich besitze eine gepflegte Puppen-Sammlung und wenn da jemand meint: " ....äh - sind die gruselig", finde ich das einfach nur dumm!


nachher



So einiges was manche Leute sammeln, mag ich auch nicht unbedingt. Trotzdem versuche ich über  meinen Tellerrand hinaus zu schauen und nicht zu (ver)urteilen sondern zu akzeptieren. Und wenn man sich nur ein klein wenig intelligent genauer damit beschäftigt, kommt man vielleicht sogar dahinter was diesen Menschen dazu bewegt, genau das zu sammeln und dabei glücklich zu sein.


Übrigens habe ich meine Familie durch mein Puppenkontor gezerrt und wollte wissen, ob sie schaudervolle Puppen bei mir finden.
Den ersten Platz belegt tatsächlich meine arme "Frau Holle". HIER
Gleich gefolgt von Frozen Charlotte. HIER:
Alles andere wäre aber voll in Ordnung.
Na, da bin ich doch nochmal ganz gut weggekommen.


Und:
Ich bin keine Puppenmutter. Der Bemutterungsinstinkt für Puppen fehlt mir völlig!
Ich bin eine Zeitreisende.
Ich sammle Puppen, weil sie es mir erlauben in eine Zeit zu reisen, die längst vergangen ist.
Ich liebe es, das feine Porzellan zu berühren.
Ich mag die alten Kleider, ausgewähltes Zubehör, die handgefertigte Wäsche und nicht zuletzt ihre schweren Puppenkörper.

All das vermittelt mir eine Wertigkeit, die in unserer heutigen schnelllebigen Wegwerfgesellschaft nicht mehr zu finden ist.



Einen schönen Sonntag.
Liebe Grüße eure Anke

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